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Strecke Leipzig – Gera: „Übergangslösung Wasserstoffzüge“ blockiert Elektrifizierung
Fahrgastverband PRO BAHN und VCD fordern zügige Elektrifizierung
Zu der erneut aufgeflammten Diskussion über die Elektrifizierung der Bahnstrecke Leipzig – Gera erklären der Fahrgastverband PRO-BAHN Thüringen und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in einer gemeinsamen Presseerklärung:
„Wasserstoffzüge“ sind keine Alternative zur Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Gera und auch als Übergangslösung nicht zielführend.
Die Brennstoffzelle im Zug soll den Nahverkehr der Bahn sauberer machen. Er war vor einigen Monaten im Schwarzatal unterwegs und hat seine neue Technologie unter Beweis stellen können. Allerdings sehen wir die Stärken von Zügen mit Brennstoffzellentechnik eher nicht auf Hauptstrecken. Im Gegenteil: Mit dem Aufbau der teuren Wasserstoffinfrastruktur entsteht die latente Gefahr, dass aus der „Übergangslösung“ eine Dauerlösung wird und die Streckenelektrifizierung zwischen Leipzig und Gera auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Auch die vollwertige Anbindung der Städte Zeitz und Gera an das Leipziger S-Bahn-Netz würde damit in eine ungewisse Zukunft verschoben.
Die vom Verkehrsminister Sachsen-Anhalts genannten Zahlen zur langwierigen Umsetzung einer Elektrifizierung sind irreführend. Verkehrsminister Webel verkennt offenbar, dass der Bund noch in diesem Jahr ein Elektrifizierungsprogramm mit einem eigenen Fördertopf auflegen wird, aus dem Strecken wie Leipzig – Gera finanziert werden können. Auch im Zuge des Kohleausstiegs eröffnen sich neue Finanzierungsmöglichkeiten. Die Finanzierungsperspektiven für solche Vorhaben verbessern sich also deutlich. Der Vergleich mit der Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung hinkt, da hier lange Jahre nur über die Elektrifizierung geredet, aber nicht gehandelt wurde. Tatsächlich geplant wird erst seit 2018, und mit dem nun geplanten Fertigstellungstermin 2028 sieht man, dass sich eine Streckenelektrifizierung innerhalb von 10 Jahren umsetzen lässt.
Aus technischen und wirtschaftlichen Erwägungen ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) einseitig auf den Einsatz von Zügen mit Brennstoffzellen fixiert ist. Unser Eindruck ist, dass keine ergebnisoffene Untersuchung über geeignete Alternativen stattgefunden hat. Dies ist umso fraglicher, da der Einsatz von „Wasserstoffzügen“ in fast allen denkbaren Einsatzszenarien bei Betrachtung der Gesamtkosten wirtschaftlich am schlechtesten abschneidet, wie eine Studie der Fakultät Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Dresden von 2017 zeigt. Es gibt damit u. E. keinen Grund, sich jetzt auf diese noch nicht ausgereifte und teure Technologie festzulegen.
Aus Fahrgastsicht erschwerend kommt hinzu, dass die vom ZVNL als Pilotstrecke genannte Verbindung nach Gera für den Einsatz von Wasserstoffzügen ungeeignet ist, weil die Fahrdynamik der Wasserstofffahrzeuge im Vergleich zum Status quo spürbare Fahrzeitverschlechterungen für die Fahrgäste mit sich bringen würde, sprich die Züge langsamer unterwegs wären und Anschlüsse nicht erreicht werden könnten.
Betrachtet man das Eisenbahnsystem als Ganzes und bezieht die Anforderungen nicht nur von Nah-, sondern auch von Fern- und Güterverkehr mit ein, so zeigt sich, dass eine klassische Elektrifizierung die größeren Vorteile verspricht. Da im Raum Gera und im Industriepark Zeitz Güterkunden relevante Mengen auf die Schiene bringen, würde von einer klassischen Elektrifizierung auch der Güterverkehr profitieren und mit ihm Mensch und Umwelt. Außerdem böte die Elektrifizierung die prinzipielle Möglichkeit, Fernverkehrszüge von Leipzig nach Gera zu verlängern.
Hinsichtlich seines Vorschlags, den SPNV Leipzig – Gera mit Wasserstoffzügen durchzuführen, hat es der ZVNL u. E. bis heute versäumt, mit den Verantwortlichen für den Nahverkehr in Thüringen zu sprechen. So wären ihm einerseits die Fahrzeitprobleme bekannt, andererseits auch, dass in absehbarer Zukunft nicht sichergestellt werden kann, dass in ausreichenden Mengen ‚grüner Wasserstoff‘ zur Verfügung steht, der aus Erneuerbarer Energie gewonnen wurde; so müsste auch im Leipziger Raum bis auf Weiteres ‚grauer Wasserstoff‘ zum Einsatz kommen, für den fossile Energien eingesetzt werden. Damit entfallen fast alle postulierten Umweltvorteile der ‚Wasserstoffzüge‘. Im elektrifizierten Streckennetz hingegen liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien bereits heute bei über 50 Prozent.
Die Verantwortlichen in Sachsen sollten daher die Planungen in Sachen Wasserstoff schnell zu den Akten legen und sich nunmehr auf die Streckenelektrifizierung zwischen Leipzig und Gera konzentrieren.“
Über den Fahrgastverband PRO BAHN
Der Fahrgastverband PRO BAHN ist ein Verbraucherverband, der bundesweit die Fahrgäste aller öffentlichen Verkehrsmittel vertritt. Er ist Gründungsmitglied der Allianz pro Schiene und des Europäischen Fahrgastverbandes sowie Mitglied der Verbraucherzentrale Bundesverband. 2017 wurde der Fahrgastverband PRO BAHN mit dem Bundespreis Verbraucherschutz ausgezeichnet. Der Fahrgastverband PRO BAHN arbeitet ehrenamtlich im Interesse der Fahrgäste. Die Mitglieder "erfahren" tagtäglichen öffentlichen Verkehr (ÖV) auf Schiene und Straße. Aus diesen Erfahrungen heraus lobt und kritisiert der Verband Akteure und Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, erstellt Konzepte, ist in offiziellen Landes-, Bundes- und Europa-Gremien aktiv, sensibilisiert und berät Politiker in Angelegenheiten des öffentlichen Verkehrs, beeinflusst die öffentliche Diskussion durch sachliche Aufklärung über Hintergründe, hält Vorträge und Seminare sowie Fahrgastsprechstunden und Automatenschulungen u.v.a.m. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.pro-bahn.de
Über den VCD
Im Juni 1986 wurde der Verkehrsclub Deutschland von Mitgliedern verschiedener Umweltverbände und -initiativen ins Leben gerufen. Der VCD engagiert sich für eine umwelt- und verbraucherfreundliche Mobilität, die mit wenig Ressourcenverbrauch und geringen Umweltbelastungen auskommt - für mehr Lebensqualität und die Interessen aller ökologisch orientierten Verkehrsteilnehmer vertritt.
Rückfragen bitte an Olaf Behr, Vorsitzender, Tel.: 0172-7986520, o.behr@thueringen.pro-bahn.de
oder Henning Eggers, stellvertretender Vorsitzender, h.eggers@thueringen.pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Olaf Behr